Über die Lichter der Stadt
Das Licht der Fenster macht die Stadt zu einem abstrakten, nächtlichen Spektakel. Während
die Natur die Schatten ihrer Geheimnisse im Dunkeln aufleben lässt, leuchtet sie der Mensch
auf die Straßen. Sie wirken wie einzelne Theater im Vorbeigehen. Von oben betrachtet ein
einziges Meer aus Geschichten. Dramen, Theater, Komödien, Verwirrendes,
Unveränderbares. Alles hinter Glas. Von innen erleuchtet und als Schattenspiel auf die
Straßen projiziert. Manches mit Ton. Anderes seltsam verzerrt durch offene Fenster an
anderen Wänden. Obszön. Das menschliche Treiben. Unverstanden von den Geschöpfen des
natürlichen Dunkels. Tragen sie doch die höfliche Scham der Demut im Herzen und
vollführen nicht all ihr Schauspiel noch bei Rampenlicht zu Tage. Treiben es im Verborgenen,
während sich die Gestalten im Innenraum ungesehen wähnen. Doch irgendwer schaut immer.
Keine Ecke ist zu dunkel für das Gewissen. Die Geister finden einen auch bei
geschlossenen Augen.
Die Stadt bei Nacht. Wunderlicher Anblick. Doch gleichsam faszinierend. Als spähe man in
fremde Welten. Gerufen sich der eigentlichen Bedeutung des Unerhörten gewahr werden zu
lassen. All samt in einer aus Neonröhren pulsierenden Stadt gebettet. Wie Bienen in ihren
Waben krabbelt das Menschenwesen in seiner beheizten Zelle umher. Wurmt sich mit
Verantwortung und verliert dabei sein Wesen aus dem Blick. Verhält sich zu sich selbst wie
der Einäugige zu den Blinden und verpasst es in den Spiegel zu blicken. Ich frage Dich, war
es denn je anders?
Selbst die Wände aus Lehm erfüllen ihren Zweck. Bilden die lebendige Siedlung inmitten
einer atmenden Natur. Sind wir denn nicht ein ebenso pulsierendes Organ in einem
schlagenden Ganzen? Lebt nicht der vollkommene Kosmos vom Ein- und Ausatmen Deiner
Wahrnehmung von ihm? Spielst Du nicht Dein eigenes Spiel mit ihm? In ihm?
Ich sehe sie vor mir. Die Fenster mit ihren Geschichten. Hinter manchen flackert das Licht.
Andere toben. Die eine tänzelt bei gedimmtem Licht, der andere entlässt seine Sorgen dem
kalten Rauch einer roten Glut bevor er zu Bett geht. Alles macht, alles tut. Sie sind wie
Kinder einer Welt, die nicht genug Hände hat, jedem unter die Arme zu greifen, doch Augen
die sehen, worin das Ungleichgewicht besteht. Nicht nur zwischen Mensch und Natur. Vor
allem von Mensch zu Mensch und dem Selbst im eigenen Spiegel. Wiegt sich in Sicherheit,
doch ragt die Mehrheit über die Klippe. Droht auch den Rest zu Kippen. Aus und vorbei dann
der Traum vom freien Menschen. Verschlossen im eigenen Geist und darüber hinaus noch zu
stumpf um sich im Gegenüber zu sehen. Doch mit dem Rest dreht sich auch das Blatt. Und
wird neu gemischt. Die Zeiger genullt und die Uhr um den Sand gedreht. So beginnt mit der
Wende eine neue Zeit.
Die Schatten auf den Straßen verraten den Wandel. Es herrscht Spaltung in den
Vorstellungen. So trennen die einen das Private vom Eigenheim. Die anderen verbinden die
offenen Stellen und schöpfen Sinn im Gespaltenen. Die Lichter der Stadt. Unzählige Leben.
Atmen das Ein und Aus des Alltäglichen. Bedeuten sich mit Recht. Erfinden Lügen und
erklären sie zur Wahrheit. Meistens harmlos, mitunter erheiternd erhitzte Gemüter
abreagieren zu sehen. Vor allem ohne Ton. Doch gleichsam verstörend, wenn Blut fließt.
Keine Stimme der Vernunft klingt durch das Glas. Zu stark isoliert. Das Licht erlischt.
Eine Geschichte endet, eine andere beginnt. Erotik ist meistens mit im Spiel. Doch ebenso
schnell vorbei. Blinkende Fernseher verbreitern das Bild. Ansonsten Arbeit, Essen und
Kinder. Viele allein, die meisten im Streit. Selten, doch immer wieder zärtliche Berührungen.
Eine unendliche Erzählung. Leben, jeden Tag, jede Nacht bis zum Ende von Licht und
Dunkel. Zahllose Lichter, alle mit eigenem Schein. Jeder, der sich erhellt zu leuchten und im
Moment das Beste gibt. Und dabei so verschlossen.
Die Stadt bei Nacht. Drehst Du den Blick in den Himmel und siehst die Sterne, bemerkst Du
es. Das Leuchten. Wie oben so unten. Funkeln um zu scheinen. Gesetz der Sterne. Atmend im
Kosmos, verbunden mit allem. Lebendig am Sein. Unendliche Geschichten, ewige Erzählung.
Und am Anfang stand das Wort. Wir werden sehen, wohin das Ganze führt; sind wir doch ein
Teil von ihm. Es bleibt offen, wohin das Theater spielt, ist ihm doch keine Grenze gesetzt.
Danke ihr funkelnden Sterne. Wie Stars vor dem Vorhang der Schauspielbühne unterhaltet ihr
den großen Geist, der euch im Ganzen sieht und jeden Moment mit Dir fühlt.
Gute Nacht Welt.