Über Abschiede und Neuanfänge 

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Ich verabschiede mich. Es ist an der Zeit zu gehen. Seit ich meine Augen zum ersten mal aufschlug, warf ich meinen Blick auf die Welt. Sah, wie der Mond mir des Nachts den Weg wies und die Sonne des Tages mein Herz wärmte. Wie Mutter Natur durch Wind und Wetter kommunizierte und mich zu keiner Zeit auf mich allein stellte. Stets eingebettet in einen Konsens aus miteinander verwobenen Schicksalen. Nicht mehr. Nicht weniger. 

 

Nun sind die Jahre vergangen, genau wie die Gesichter meiner Vergangenheit. Die Oberfläche meiner Haut ziert die ein oder andere Falte, kreuzt sich mit der ein oder anderen Narbe und verweist auf das Holz, aus dem ich geschnitzt bin. Meine Augen haben vieles gesehen. Zwar ist die Strecke, die ich bis hierher gegangen bin, keine all zu lange. Nein, vielmehr ist sie sogar recht kurz. Doch drehte sie sich um einen konzentrischen Mittelpunkt, der irgendwann von allen Seiten beleuchtet war. 

 

Seither sehe ich die Wiederholungen eines immer gleichen Schauspiels. Eines Dramas, das genau so komisch ist, wie es tragisch ist. Die Welt spitzt sich zu. Die Informationen verweisen alle auf dieselbe Idee, nur ist kaum einer wagemutig genug, diese zu denken.

Bin ich es, der den Mut aufbringt? Bin ich derjenige, der das Eis bricht und sich selbst im anderen wieder erkennt? Der sich selbst als Spiegel in der Welt beobachtet? Derjenige, der weiß, dass er das einzige Subjekt im Dasein ist und alles andere verspiegelte Wahrheiten meines eigenen Selbst? Derjenige, der bemerkt, dass wir alle die Idee einer Intelligenz sind, die sich der Freie Wille nennt? Bin ich es, der es ausspricht und sagt, die Welt existiert nicht. Deine Probleme existieren nicht. Deine Freunde, Familie, dein Haustier, dein Auto und Haus. Dein Job, dein Status, deine Meinung und ja, auch dein Leben. Alles ist Teil derselben intergalaktischen Illusion, den freien Willen kontrollieren zu können. 

 

Es ist nicht meine Art, mich hiermit in den Vordergrund zu positionieren. Ein Vordergrund in einer Unendlichkeit bleibt letztlich trotzdem unendlicher Raum. Wohin bringt mich also mein Bestreben? Nein. Soll es ein anderer machen. Soll ein anderer meine Existenz als Illusion degradieren. Soll ein anderer die Lorbeeren einsacken, die am Ende nur Informationen in einer nicht endenden Informationsflut sind. Soll ein anderer den Kampf mit seinen eigenen kritischen Stimmen kämpfen. Ein anderer an sich selbst und der Ignoranz seiner gespiegelten Anteile zerbrechen. Mögen die Scherben meines Daseins demjenigen Glück bringen, der sich dazu entschließt, all das auf sich zu nehmen. Jene Arbeit, allen Gesichtern unseres Unterbewusstseins zu vergeben und sie in sich selbst zu Einem zu vereinen

 

Doch für mich ist dies kein Weg mehr. Es ist mir vergangen. Zu lange verzweifelt mein Gedanke am eigenen Zweifel. Zu lange sehe ich mich in einem unendlichen Kreisen, ohne die Chance, jemals etwas anderes zu sein als das, was ich bin, Energie. Es ist hoffnungslos, denn die Abwesenheit von Energie ist auch nichts mehr worüber ich mich dann noch freuen kann. Einfach aus Energielosigkeit. Nein, ich habe es zu Ende gedacht, wieder und wieder. Konnte den Verlauf beobachten, nur um festzustellen, dass ich irgendwann wieder am Anfang heraus komme. Es ist zum Verzweifeln. 

 

Und während ich an der Existenz scheitere, gibt es den Einen, der sie meistert. Es gibt ihn, sonst wäre ich nicht da. Es muss ihn geben, sonst könnte ich kein Anteil von ihm sein. Sonst würde ich nicht existieren. Vielleicht ist jener, der Eine. Der Wahre. Der Göttliche von unseren Gedanken. Jener, der vor dem eigenen Abgrund steht und lacht. 

 

Doch ich bin es nicht, dass akzeptiere ich. Denn während ich nicht nur beladen mit meiner eigenen, sondern auch derjenigen Vergangenheit all meiner Vorfahren, jeden Schritt gegen den Widerstand erheben muss um doch nur auf der Stelle zu treten, bricht der Wille aus mir heraus und will nicht mehr. Vielleicht besteht die Freiheit auch daran, an sich selbst zerbrechen zu dürfen. An sich selbst und der Welt, aus der man hervorgeht. An so viel Ignoranz des eigenen Spiegels. So viel Abneigung gegenüber unseres Gleichen. 

 

Oft weine ich. Ich kann nicht einmal sagen, warum. Ich schlage die Augen auf und sehe in eine Welt, die sich selbst widerspricht. Sehe so viel Sinnlosigkeit, obwohl alles von Bedeutung ist. Sehe, wie sich die Angst vor die eigene Vergangenheit stellt und vergessen macht, welche Kriege wir schon bis hierhin gewonnen haben. So weit sind wir gekommen und daran scheitern wir. Scheitere ich, denn es ist meine Welt, in die ich blicke. Meine Vergangenheit. Meine Vorfahren. Meine Geschichte

 

Doch die Geschichte, die ich erzähle ist mir zu viel geworden. So viele Gesichter, so viele Facetten. So viele Nebengeschichten, die sich in Randbemerkungen verlieren, jedoch irgendwie das große ganze vervollkommnen. Und ich, der einzige, der es sieht. Der alles sieht, jede Geschichte kennt, alles hört und mitfühlt, nur nicht sich selbst. Wie das Chamäleon, das in all seinen Farben seine eigene nicht findet. 

 

Doch was bleibt einem nach der Erkenntnis, selbst ein unbeständiges Wesen zu sein? Nichts, als die Veränderung. Der Freie Wille, der sich selbst dazu verurteilt, beständig die Richtung zu ändern, sobald man es nicht von ihm erwartet. Als lebte ein Wille in meiner Brust, der nicht weiß, was er will und daher frei ist. Denn nur wer das Unbekannte erwartet, wird frei sein. Jedoch wird sein Weg dadurch auch immer im Dunkeln liegen. Bis zu jenem Punkt, wo das schwarze Nichts zu einem helleren wird und um vielleicht irgendwann im Bewusstsein reinen Seins, ganz im klaren Licht göttlicher Vollkommenheit zu erstrahlen. Jedoch erst dann, wenn keiner mehr damit rechnet.

 

Ja, es hat sich ausgelebt. Alles war nur ausgedacht. Eine Idee eines Lebensentwurfes, der zum Scheitern verurteilt war. Letztlich kommen wir hier ohnehin nicht raus. Kein Grund also, noch länger etwas zu erzwingen, was ohnehin zu einem Ende kommt. Der Wille ist frei und er macht, was er will. Verstehen kann ich das auch nicht. Aber was soll ich machen:

ich gehorchte, weil ich frei bin. 

 

Ich werde gehen, irgendwo herauskommen und ein anderer sein. So ist das Leben. Am Ende ist alles nur so wichtig, wie du selbst es machst. Und machst du es nicht selbst, dann macht es ein anderer für dich. Ein anderer Anteil deines eigenen Selbst. So ist das nun mal. Zwar sind wir einzigartig, doch sind wir es auch nicht. Einerseits dauerte es über 12 Milliarden Jahre und eine halbe Ewigkeit, um diese Zeilen zu schreiben, und doch erzählen sie die immer gleiche Geschichte. Eine Gesichte ohne Anfang und ohne Ende. Eine Geschichte von Ewigkeit. Über Liebe, Hass, Freude und Trauer. Eine Geschichte, die vom Herzen ausgeht um sich letztlich dorthin auszugehen und von Neuem zu beginnen. Genau wie der Rhythmus in dem es schlägt. Eben eine unendliche Geschichte, in der jeder von uns eine einzigartige Rolle spielt, deren Existenz so einmalig wie jeder deiner Atemzüge ist. Und doch spielt sie nicht außerhalb des beständigen Atmens Pachamamas. Eine Geschichte von freier Energie, die sich wandelt, den Zustand verändert und in Ewigkeit fließt, genau wie das Wasser, das unsere Körper formt. Öffne die Augen. Es ist dein Spiel, auch wenn du nicht herauskommst. Öffne dein Herz. Es ist dein Wille, auch wenn er frei ist und daher macht, was er will. Verbinde dich mit der Energie, die allem Grund zum Existieren gibt. Und lass dich gehen, auch wenn du für immer bleiben wirst. 

 

Es ist, wie es ist. Letztlich sind wir alle die biologische Verwirklichung der Elemente des Universums. Sternenstaub. Gebundene Teilchen aus freier Energie. Und einem Geist, der sich selbst durch immer neue Augen betrachtet. Es ist deine Welt, die du durch deine Augen siehst. Dein Universum. Also heiße dich endlich Willkommen und werde wer du bist. Freie Energie mit der Freiheit alles zu sein, was sie sich vorstellen kann.

Und bist du aufmerksam, findest du mich irgendwo dort. Irgendwo dort, im Freien.