Cheshire Cat

"Wer bist du?". Die Frage fällt eiskalt in den Raum, wie meine Tagträume dir auf die Nase, als du sie stellst. Ohje, denke ich, was ist das für eine Frage und schau dich an. Erkenne ich Interesse? Erkenne ich Fragelaune? Oder bist du einfach nur höflich? Wie soll, wie kann ich antworten? 

 

Also klar weiß ich wer ich bin. Wer weiß das nicht? Ich bin das Produkt einer nicht vollständig ausgeprägten subjektiv-prismatischen Brechung meiner sozio-ökonomischen Umstände. Und nebenbei heiße ich auch. Also antworte ich dir und sage meinen Namen. Das scheint dich offensichtlich nicht zufriedenzustellen. Du blickst mich eindringlich an und pfeifst ein Dreieck in diesen schrecklich geometrieüberladenen Raum. "Nene, wer BIST du?" setzt du nach. 

 

Also klar weiß ich was ich bin. Ich bin die Addition oder Subtraktion der Dinge, die ich tat, dachte, tue und denken werde. Ich bin die Praxis der Dinge, die sich durch mich in die Realität manifestieren. Ich bin der Katalysator für meine Taten. Ich bin was ich tue. Und nebenbei habe ich auch einen Job. Also antworte ich dir und nenne meinen Beruf. Offensichtlich unzufrieden manifestierst du Handlungen in den Raum, rückst deine Brille zurecht und nach kurzer Pause: "Nene, WER BIST du?" setzt du nach. 

 

Also klar weiß ich wie ich bin. Ich existiere mindestens in der von mir und dir geteilten Wahrnehmungsdimensionen. Das WIE meiner Existenz beschreibt sich klar in aufzählbaren Elementen einiger Mengen, die sich fusionieren und teilen, am Ende aber in Kategorien sauber sortiert präsentieren lassen. Und nebenbei bin ich ein Mensch. Also antworte ich dir und sage, dass ich ein Mensch bin. Sichtbar ungeduldig werdend knirschst du mit den Zähnen. "Nene, WER BIST DU?" setzt du nach. 

 

Also klar weiß ich über mich. Ich bin die Singularität der als "mich" zu identifizierenden Dinge. Ich bin Bruder, Schwester, Vater, Mutter, Cousin und Cousine, Freund und Freundin, Partner und Partnerin, Mitarbeiter und Mitarbeiterin. Ich bin ein relationales Produkt sozialer Verknüpfung . Ich bin das Gleichheitszeichen zwischen den Zahlen, ein Ergebnis das nur in Relation sein zu Hause findet. Und nebenbei bin ich so wie du. Also antworte ich dir und sage, dass ich so wie du bin. Langsam ist deine Wut und Ungeduld spürbar, wie Kondenswasser am Deckel über einem Topf, in welchem Reis kocht. "NENE, WER BIST DU?" setzt du nach. 

 

Ist es so klar, dass ich weiß wer was und wie ich bin? Kann ich dir eine Antwort geben, die nur auf mich, nicht aber auf etwas außer mir verweist? Kann mein Inneres, das wer ich bin, sein, wie ich aussehe? Kann es sein was ich tue? Kann es sein was ich fühle? Kann es sein wer ich für jemanden bin? Ich stutze. Ich habe Angst. Die erste Frage, die du mir stellst und ich kann sie nicht beantworten? Nervös schaue ich auf die Uhr und drehe mit meinem Finger Kreise auf dem Tisch, der uns trennt. Ich spiele auf Zeit, denn zumindest die ist verlässlicher als meine Aussagen. Hm wer bin ich? Also ICH? Nicht für dich, nicht wie etwas, nicht  

 

bei,  

 

auf,  

 

drunter,  

 

drüber,  

 

gleichmäßig auf einer Pizza verteilt,  

 

oder gesungen wie eine stumme Note? 

 

Schließlich antworte ich dir und sage: "Ich bin ich." Deine Anspannung weicht und ein breites Grinsen, bei welchem selbst die Katze, der Alice mal begegnet ist, neidisch geworden wäre, breitet sich auf deinem Gesicht aus und zwischen dem breiten Grinsen kommt hervor: "Na siehste! War dat soo schwierig? Warum nich gleich dat gesacht? Freut mich dich kennen zu lernen, ich! Ich bin auch ich." 

F.

FriedrichKommentieren