Über Herzlichkeiten

IMG-20190709-WA0013.jpg

Es pocht. Tief in meiner Brust spüre ich es schlagen. Bum. So lange schon begleitet es mich. Länger als ich mich erinnern kann. Treu wie ein alter Zugbulle schlägt es unaufhörlich den Takt meines Lebens. Bum. Mit jedem Atemzug inhaliere ich den Treibstoff, den es braucht. Demütig inhaliert es alles was ich ihm zumute. Dabei bedanke ich mich kaum dafür. Meistens bin ich zu sehr damit beschäftigt, gierig nach Aufmerksamkeit zu streben während es im Dunkeln vor sich hin schlägt. Bum. Mein Herz. Selbstverständlich liebe ich es. Ich muss. Ohne es wäre meine ganze Existenz undenkbar. Doch während die Energie immer meiner Aufmerksamkeit folgt, vernachlässige ich es. Selbstverständlich schlägt es weiter. Bum. Es muss. Ohne es könnte ich meine Aufmerksamkeit auf gar nichts richten, nicht einmal auf Energie. Und während es in etwa der Mitte meines Brustkorbes unaufhörlich pumpt, um mir das Licht der Welt zu schenken, betrachte ich meine Welt aufmerksam. Bum. Wie zwei Geister leben in mir, mein Kopf und mein Herz, in getrennten Welten. Der eine im Außen, der andere im Innen. Lediglich die Kommunikation zwischen beiden ermöglichen so etwas wie eine gemeinsame Welt, ein gemeinsames Ich. Bum. Doch da der eine von Innen, der andere von Außen schaut trübt der Schein oft die Bilder in mir. Und während mein Herz genau so leicht hinter die Masken der Anderen sieht wie hinter meine eigene, so lässt sich mein Verstand allzuoft davon blenden. Bum. Das stellt mich vor tägliche Herausforderungen. Mein Herz weiß, mein Verstand denkt und zwischen beidem vermute ich mich, doch hängt das immer davon ab wer besser argumentiert. Leider verstehe ich meine Gedanken oft besser als das Wissen meines Herzens. Einfach deswegen, weil mich das die Anderen so gelehrt haben. Und Intuition ein Selbststudium ist. Bum.


Ich erinnere mich an Momente, in denen ich dachte ich wüsste es besser, doch man hatte mir entgegnet ich liege falsch. Daraufhin dachte ich irgendwann es ist besser wenn ich nichts weiß. Jedes mal wenn ich dann „falsch“ lag, gab ich dem Verstand recht. Während mein Herz schluckte. Zu Unrecht Hinunterschluckte. Widerwillig und krampfhaft. Was hätte es tun sollen. Schließlich hatte ich mich für eine Seite entschieden. Jene die mir verständlich war, auch wenn ich oft nicht begriff warum. Schließlich gehört zum begreifen ein gewisses Gefühl. Ein Gefühl von Aha! Jedoch waren die unangenehmen Gefühle die mit dem „Falschliegen“ kamen weitaus bedrohlicher. Grund genug also zukünftig weiterhin auf Nummer Sicher zu gehen und zu machen was man gesagt bekommt.


Klar eigentlich dass so ein Verhalten irgendwann zu Herzschmerz führt. Schließlich hab ich ja gelernt, erst dann zu begreifen wenn es weh tut. Doch anstatt, dass ich nun auf mein Herz hörte, dachte ich mir stets Ablenkungen aus, da sie mir verständlicherweise andere Gedanken brachten. Dachte, wenn ich das habe, jenes kann, immer besser werde, dann fühle ich mich glücklich genau wie die, die das alles schon geschafft hatten. Wieder versorgte ich meinen Verstand mit Energie und vernachlässigte mein Herz. Zu dumm, denn Gefühle kann man sich nur erklären, wenn man sie auch fühlt.


Doch es ist genügsam. Ein Freund, der auch nach dem 101 mal dir noch die Hand reicht. So lange bis es irgendwann seine letzte Energie für dich gegeben hat und du endlich damit aufhörst vor ihm davon zu rennen. Oft vergesse ich, dass der Verstand nur so lange läuft, bis ihm der Saft ausgeht. Und dann wars das. Was auch immer es war.


Ich sitze. Meine Augen sind geschlossen und ich spüre den Hauch des Windes auf meiner Haut. Höre einen Vogel, der zwitschernd versucht seine Schwerkraft zu überwinden. Die wärmenden Strahlen der Sonne erschaffen hinter meinen geschlossenen Liedern ein rötlich scheinendes Dunkel. Bum. Da war es wieder, mein Herz. Jeder seiner Schläge ist einzigartig. Während es ruht kann man nie wissen ob es nochmal schlägt. Während es schweigt ist man zwischen Leben und Tot. Ein unendlicher Moment der durch ein plötzliches Pochen limitiert wird und einen so wieder ins jetzt holt. Der stetige Wechsel von Unendlichkeit und einem Augenblick. Nur getrennt durch einen Herzschlag, der alles bedeuten kann genau wie das ewige Nichts.


Ich fühle es schlagen. Vibriere im Takt. Mein Herz ist das was mich am Leben hält. Der Motor der mich mit Energie versorgt und mich weniger Lebensmüde macht. Meine Gedanken sind bei ihm. Ich bin voll und ganz in seinem Rhythmus, meinem ganz eigenen Bio-Rhythmus. Einen den ich erst ganz selbst erfülle wen ich ihn erfühle. Wie ein Herz und eine Seele existiere ich im Moment und akzeptiere dass es außerhalb von mir nichts mehr gibt. Nur mein Herz und meine Seele. Und jedes mal, wenn es aussetzt, bin ich nichts.


Alles und nichts, Tod und Leben. Jede Sekunde, jeden Atemzug, jeden weiteren Schlag öffnet sich die ganze Vielfalt der Möglichkeiten in meiner Welt, einfach weil ich es bin, der noch da ist und nicht nichts.


Was kann ich also sagen über den Geist der in meiner Brust lebt und mich jeden Augenblick begleitet? Er ist ein guter Geist. Der Nachsichtigste den ich kenne. Ein gutes Herz. Eines auf das man sich verlassen kann. Eines das immer da ist, solange ich lebe. Eines das verzeiht auch nach dem 101 mal noch. Es ist der eine Freund den mein Verstand auf alle Ewigkeit hat und aus deren Verhältnis mein Ich geboren wurde wie ich aus meinen Eltern. Doch wie eine Mutter, trägt auch mein Herz oft mehr als sich von selbst versteht. Leise und im Hintergrund bietet es die Grundlage und verlangt keinen Dank dafür. Doch genau wie eine Mutter braucht es Wärme um zu existieren.


Kalte Gefühle verlangsamen den Lebenswillen, nicht jedoch das Herz. Das schlägt dabei voller Panik um sein Überleben. Schmerzt, Schreit. Adrenalin pocht durch seine Kammern und zerfrisst seine Haut. Legt es in Falten und macht es brüchig. Solange bis es nicht mehr kann. Bis alles Hämmern nichts mehr hilft und es einfach bricht.


Liebe ist warm. Doch meistens ist meine Aufmerksamkeit auf liebloses gerichtet. Kalte Gesichter um mich lassen mir das Blut in den Adern gefrieren. Eisige Gesellschaften und kalte gläserne Fassaden die warme Träume verkaufen. Jedoch ist der Überschuss eine Maske die wir alle fühlen. Dabei aber nicht durchschauen wollen weil sich in spiegelnden Oberflächen die eigenen Bedürfnisse präsentieren und so nur zu leicht vom dahinterliegende ablenken.


Hör auf dein Herz. Ein guter Ratschlag doch erklärt hat ihn mir keiner. Ich hebe meine rechte Hand und lege sie auf mein Herz. Es schlägt. Nur für mich. Ist es aus dem Takt, bin ich es auch. Ist es Müde, bin ich es auch. Trägt es Sorge in sich tu ich es auch. Mein Herz und Mein Verstand gebären Mich. Derjenige der fühlt und spricht. Ob ich mich ausspreche oder verspreche was man mir beigebracht hat das entscheide ich und so darüber wie ich mich fühle. Verspreche ich mich gerate ich aus dem Takt. Spreche ich mich aus passt das zu meinem Taktgefühl.


Wir alle tragen diese beiden Geister mit uns herum. Der eine Denkt, der andere Fühlt und zwischendrin, also das Mittelding, das ist unser Selbst. Und wem das bewusst wird, der ist sich seiner selbst bewusst, ist also Selbst-bewusst.